Wenn Büros und Bürogebäude eine Zukunft haben sollen, wird die Immobilienindustrie nicht darum herumkommen, für deren Errichtung auf das Cradle-to-Cradle-Prinzip zu setzen. Anders gesagt: Es braucht eine zirkuläre Projektentwicklung.
Es darf nach Möglichkeit nichts mehr verschwendet werden, es müssen so viel Energie und so viele Rohstoffe wie möglich in einer Kreislaufwirtschaft gehalten werden. Noch mehr als ohnehin schon muss sich das Bauwesen von seinem über Jahrzehnte hinweg praktizierten linearen Geschäftsmuster trennen: Statt immer wieder Immobilien abzureißen und anschließend neu zu bauen, müssen bestehende Gebäude länger genutzt werden. Möglich machen das flexible Konzepte zur Umnutzung des Gebäudes – und das schon mit kleinen Sanierungsmaßnahmen. Die größte Herausforderung der Bauwirtschaft könnte aus diesem Blickwinkel auch als eine große Chance betrachtet werden.
Was bedeutet Circular Economy?
Circular Economy basiert dem DGNB-Report zum Thema „zirkuläres Bauen“ zufolge auf den drei Prinzipien der Ellen MacArthur Foundation. Es geht darum, Ressourcen wertzuschätzen sowie deren Bestände und Stoffströme zu kontrollieren. Parallel dazu sollen Rohstofferträge erhöht werden. Das ist demnach durch das Schließen von Kreisläufen zu erreichen. Dabei soll die höchstmögliche Wertigkeit der Rohstoffe stets erhalten bleiben und externe Folgen für Mensch und Umwelt sind miteinzubeziehen. Wichtig dabei ist speziell für Entwickler, alle Phasen des Gebäudezyklus auszuschöpfen.
Im Idealfall werden nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip Gebäude und Gebäudeteile bereits im Entwurf und in der Produktion so gestaltet, dass sie, nachdem sie ihre Lebensdauer überschritten haben, wieder demontiert werden und ein möglichst großer Teil der Ressourcen wiederverwendet werden kann. Werden Gebäude unter diesem Aspekt als Rohstoffquelle betrachtet, spricht man auch von „Urban Mining“ – das Schlagwort beschreibt die Wiedergewinnung von Materialien bestehender Bausubstanz.
Die Bedeutung für Büros
Das Thema Circular Economy ist vor allem deshalb speziell für Bürogebäude relevant, da die Zukunft dieser Assetklasse in einer Post-Corona-Arbeitswelt besonders unklar ist. So stellt sich etwa die Frage, wie die Büros der Zukunft aussehen und wie häufig Mitarbeiter überhaupt noch ins Büro gehen, da sich das Homeoffice inzwischen auch nach Ende der Pandemie in vielen Branchen etabliert hat. Das ifo-Institut stellte Ende 2022 fest, dass ein gutes Viertel der deutschen Arbeitnehmer regelmäßig von zu Hause aus arbeitet. Auch wenn die einst befürchtete Landflucht durch Corona ausgeblieben ist, hat die Etablierung des Homeoffice dennoch nach Angaben des ifo-Instituts viele Menschen dazu veranlasst, in kleinere Städte und die Speckgürtel umzuziehen.
Deutsche Unternehmen können sich daher nicht länger der Tatsache verschließen, dass sich das Büro an die veränderte Arbeitswelt im Jahr 2023 anpassen muss. Das moderne Büro und erst recht das Büro der Zukunft muss mehr sein als ein reiner Arbeitsraum – vor allem das konzentrierte, einsame Arbeiten können Mitarbeiter nun eben auch im Homeoffice erledigen. Besonders beliebt ist eine 60-zu-40-Verteilung, bei der Mitarbeiter zwei Tage die Woche im Homeoffice und drei Tage im Büro arbeiten.
Das Büro als Treffpunkt und Voraussetzung für Unternehmenskultur
Unternehmen müssen sich die Vorteile des Büros als Treffpunkt zum Austausch mit Kunden und Kollegen zunutze machen. Das Büro muss also von einem reinen Arbeitsraum zu einem Gemeinschafts- und Begegnungsraum werden. Dann kann es seine Stärken ausspielen, da sich der persönliche Austausch mit den Kollegen und – je nach Branche – der direkte Kundenkontakt nicht durch Mails, Chatnachrichten und Videocalls ersetzen lässt. Die Transformation des Büros ist essenziell für dessen Zukunft – clevere Konzepte sind daher gefordert, in mehr als nur einer Hinsicht. Mittels eigener Räume und Bereiche, etwa für Workshops, sowie durch Tools zur besseren Zusammenarbeit, beispielsweise interaktive Whiteboards, lässt sich zudem die kreative Zusammenarbeit im Team fördern.
Zu dieser Wandlung gehört ebenfalls ein stärkerer Fokus auf Flexibilität. Das ist vor allem wichtig, um jüngere Arbeitskräfte zu gewinnen. Wie verschiedene Studien zeigen, legen vor allem die Millennials und die Gen Z Wert auf flexible Arbeitsformen. Flexibel wollen sie nicht nur beim Arbeitsort und den Arbeitszeiten, sondern auch beim Arbeiten innerhalb des Büros sein. Das bedeutet ganz konkret, dass die Mitarbeiter nicht stets an demselben Platz innerhalb des Büros sitzen wollen, sondern gern öfter mal den Platz wechseln. So lassen sich zugleich Büros besser auslasten, da die Plätze von Beschäftigten, die gerade nicht im Büro sind – aufgrund von Krankheit, Urlaub oder etwa einer Dienstreise – nicht ungenutzt bleiben.
Die Zeit, sich zu verändern, ist jetzt
Büros müssen sich also aus mehr als nur einem Grund wandeln. Nicht nur hat die Corona-Pandemie die Arbeitswelt für immer verändert, jüngere Generationen stellen auch ganz neue Anforderungen an ihre Arbeitsräume. Unternehmen müssen entsprechend umdenken und sich anpassen. Dazu gehört ein stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit: Unternehmen müssen einen bewussten Blick auf ihre Strom- und Wärmeversorgung und damit verbunden auf den CO2-Abdruck des Gebäudes werfen.
Investoren und Projektentwicklern, die sich mit all diesen Veränderungen noch schwertun, sei geraten, sich besser früher als später umzustellen. Selbstverständlich sind diese Umwälzungen mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden und flexible und nachhaltige Gebäude sind von der Planung bis zu Errichtung teurer als herkömmliche Immobilien. Doch mehr und mehr Unternehmen legen heutzutage ebenfalls schon einen großen Wert auf Nachhaltigkeit bei der Anmietung ihrer (Büro-)Räume. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Objekte, die solchen Kriterien nicht gerecht werden, ihren Marktwert verlieren werden.