Direkt nach der Verpackungsindustrie verbraucht in Deutschland der Baubereich den meisten Kunststoff: Fast drei Millionen Tonnen Plastik hat die Branche 2019 verarbeitet. Für Fensterrahmen, Kabelisolierungen, oder Bodenbeläge und vieles mehr wird dabei meist Polyvinylchlorid (PVC) verwendet. Dabei handelt es sich um einen nützlichen, aber sehr umweltschädlichen Stoff, der sich allerdings zumindest in der Theorie gut aufbereiten lässt. Tatsächlich ist Kunststoff für die Baubranche unverzichtbar: Langlebig, flexibel und beständig ist das Material. Da Kunststoffe allerdings aus fossilen Ressourcen hergestellt und auf natürliche Weise, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam abgebaut werden, ist die Verwendung der Materialien äußerst umweltschädlich. Aus einer Reihe von Gründen erhält das Thema Kunststoffrecycling in der Baubranche immer mehr Aufmerksamkeit.
Zum einen motivieren verschärfte Nachhaltigkeitsregeln im Rahmen der Energiewende die Branche dazu, sich nach modernen Alternativen umzusehen. Eine Neuausrichtung der Gewerbeabfallordnung von 2017, nach der Bauabfälle viel genauer getrennt werden müssen, hat bereits Bewegung in die Branche gebracht. Da der Immobiliensektor nicht gänzlich auf Kunststoffe verzichten kann, ist das Thema Recycling in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Anstrengungen, den Kunststoff durch optimierte Recyclingprozesse wiederzuverwerten, gibt es dabei schon länger. Entsprechend steigt die Erzeugung und Verarbeitung von Rezyklaten konstant. Allerdings handelt es sich bei der Aufbereitung von Kunststoffen auch um eine hochkomplexe Angelegenheit, bei der eine Reihe von unterschiedlichen Parteien alle fest verzahnt zusammenarbeiten müssen. Werkstoffliches Recycling ist zudem im Moment noch aufwendiger und teurer als auf neue Kunststoffprodukte zurückzugreifen. Hier fehlt eine faire Preisgestaltung, die eine Verwendung aufbereiteter Kunststoffe und damit das nachhaltige Gewissen auch mit gewissen finanziellen Vorteilen belohnt. Damit sich diese Aufbereitung wirklich lohnen kann, muss die staatliche Förderung vorangetrieben werden – ähnlich wie das in anderen Bereichen auch der Fall ist.
Erheblicher Verbesserungsbedarf bei den Produktstandards
Aber auch wenn die Tendenzen in die richtige Richtung zeigen, ist die deutsche Baubranche von einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zum jetzigen Zeitpunkt noch weit entfernt. Das Umweltbundesamt (UBA) hat etwa in einer aktuellen Studie ermittelt, dass die Wiederverwertung von Kunststoff in der Baubranche derzeit mangelhaft ist. So fehlen immer noch klar kommunizierte Produktstandards, um eine Kreislaufwirtschaft der Materialien zu gewährleisten. Eine weitere Präzisierung der Abfallrichtlinien ist deshalb dringend notwendig. Zwar war die Neugestaltung der Gewerbeabfallverordnung ein Schritt hin zu einer exakteren Abfalltrennung auf Baustellen, sie bildet aber nur ein Glied in einer Kette, die fehlerfrei funktionieren muss, um eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren. In der Praxis allerdings wird nach wie vor fälschlicherweise viel Kunststoff als Baumischabfall entsorgt. Augenblicklich werden zudem die Mengen aufbereiteten Kunststoffs in der Baubranche nur unzureichend erfasst. Auch hat aufbereiteter Kunststoff in der Branche bei Verarbeitung wie auch Endkunden immer noch mit einem eher schlechten Image zu kämpfen. Um die Entwicklung zu beschleunigen, müssen die vorhandenen Recyclingvorgaben also dringend nachgebessert und vor allem standardisiert werden, um der Branche den nötigen Schub in eine nachhaltige Richtung zu geben. Zwar gibt es immer wieder technische Innovationen im Sinne der Nachhaltigkeit. So haben neuere Versuche gezeigt, dass Polymere in ihre Grundbestandteile zerlegt und wiederverwertet werden können. Das Projekt KUBA des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Beispiel hat einen Weg gezeigt, wie die Aufbereitung von Wärmedämmverbundsystemen funktionieren kann. In Zukunft muss sich eine Lösung etablieren, die auf mechanische Aufbereitung in Kombination mit chemischem Recycling setzt. Bedacht werden sollte zudem, dass auch biologisch abbaubarer Kunststoff umweltschädlich sein kann, da er sich nur unter bestimmten Bedingungen zersetzten lässt. Die Aufbereitung von Kunststoff ist ein Thema, das die Branche noch eine Weile beschäftigen wird. Umso wichtiger, jetzt mit gesetzlichen Regularien, verbesserten Produktstandards und überzeugenden Best-Practice-Beispielen positive Impulse für den Bausektor zu setzen.