Wohnen wir in Zukunft in Pilz-Häusern?
Wenn wir Immobilien nachhaltig bauen wollen, sollten wir uns auch mit biologisch abbaubaren Baustoffen auseinandersetzen: Pilze gehören zu den schnell wachsenden Rohstoffen, die angebaut werden können, ohne dabei viel CO2 auszustoßen – und bringen für ein Baumaterial hervorragende Eigenschaften mit.
Betrachtet man einen im Wald stehenden Pilz, so scheint es zunächst schwer vorstellbar, dass daraus ein Baustein werden kann. Wie kann das funktionieren? Das Wurzelwerk der Pilze, wissenschaftlich Myzel genannt, weist eine eng vernetzte Struktur auf aus fadenförmigen Pilzzellen, sogenannten Hyphen. Die tiefe Verästelung der Hyphen macht das Myzel dicht – und damit zu einem möglichen Rohstoff im Bauwesen.
An der Uni Kassel stehen bereits tragfähige Konstruktionen aus Pilzen
Wissenschaftler des Fachgebietes Experimentelles und Digitales Entwerfen und Konstruieren (EDEK) an der Universität Kassel arbeiten im Projekt „Robotic BioConstruction“ daran, mit Pilzen Bauelemente zu züchten, und konnten bereits erste tragfähige Bauelemente schaffen.
Sie vermischen das Myzel mit gereinigten organischen Abfällen, das dem Pilz gewissermaßen als Futter dient – der Wachstumsprozess startet. Es entsteht eine schwammartige Masse, die zunächst in eine Form gegossen wird. Um den Baustoff hart zu machen, wird er im Ofen getrocknet.
Wie die Forscher festgestellt haben, haben Baustoffe aus Pilz viele Vorzüge. Der größte Vorzug dürfte darin bestehen, dass, anders als bei der Produktion von Beton, kaum CO2 ausgestoßen wird und das Material komplett recycelbar ist. Pilze wachsen im Vergleich zu anderen Rohstoffen sehr schnell nach – benötigen Bäume beispielsweise mehrere Jahrzehnte, bis sie gefällt werden und ihr Holz verwendet werden kann, benötigt ein Myzel Wissenschaftlern zufolge nur drei bis vier Wochen, um zu wachsen. Der aus Pilz bestehende Baustoff ist zudem stoß- und schallabsorbierend und hat hervorragende Zug- und Biegeeigenschaften.
Baustoff aus Pilz wächst in vorgegebener Form
Die Wissenschaftler füllen den Pilzbaustoff in beispielsweise aus Holz bestehende Netze – der Baustoff passt sich bei dieser Vorgehensweise selbst an die vorgegebene Bauform an und muss nicht entsprechend bearbeitet werden. Diese Fähigkeit eröffnet aus Sicht eines Projektplaners ganz neue Möglichkeiten, denn perspektivisch könnte der Wachstumsprozess bei der Gebäudeplanung bereits berücksichtigt werden und je nach gewünschten Materialeigenschaften könnten die Wachstumsbedingungen des Pilzes verändert werden.
Die Farbgebung des Materials dürfte den Geschmack vieler Menschen, die natürliche Baustoffe mögen, treffen, der Baustoff aus Pilz dürfte aber auch färbbar sein. Es wird spannend sein, zu sehen, wie sich die Forschung weiterentwickelt – in Kassel stehen jedenfalls schon Trennwände aus Pilz.