In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben sich Büroimmobilien in Deutschland stark verändert. Die Corona-Pandemie hat Entwicklungen in Gang gebracht, die sonst vielleicht selbst in Jahrzehnten nicht in diesem Maße umgesetzt worden wären.
Welche Zukunft haben Bürogebäude in einer Zeit, in der sich das Homeoffice als Alternative zur Präsenzarbeit längst etabliert hat? Auch nach Ende der Homeoffice-Pflicht im März 2022 arbeiteten im September immer noch knapp ein Viertel der berufstätigen Menschen in Deutschland weiterhin regelmäßig von zu Hause. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des ifo-Instituts und konstatierte damit, dass sich die Zahl seit April praktisch nicht verändert hat. Arbeitnehmer ebenso wie Arbeitgeber sehen nicht nur den Vorteil etwa in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besteht für den Arbeitnehmer der Verdacht einer Corona-Infektion oder ist er infiziert, zeigt aber keine Symptome, ist das Arbeiten im Homeoffice für alle die sicherste Lösung.
Büroimmobilien müssen deshalb in Zeiten, in denen das eigene Zuhause der Arbeitnehmer zur Konkurrenz geworden ist, völlig neu positioniert werden. Wenn man nicht länger ins Büro fahren muss, um zu arbeiten, brauchen diese Räume eine neue Daseinsberechtigung. Diese liegt im Austausch: Gespräche mit den Kollegen bei einem gemeinsamen Kaffee lassen sich nicht durch Videocalls ersetzen.
Wenn die Nutzer von Büroimmobilien umdenken, müssen das deren Investoren und Entwickler ebenfalls tun. Neue Bürogebäude müssen anhand völlig anderer Kriterien gestaltet werden, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Ein Beispiel: Ein herkömmliches Büro setzte sich jahrzehntelang aus 30 Prozent Gemeinschaftsflächen und 70 Prozent Einzelarbeitsplätzen zusammen. Je höher ein Mitarbeiter befördert wurde, desto mehr Bürofläche stand ihm zur Verfügung. In der Führungsetage erhielt er in der Regel sogar einen größeren Büroraum ganz für sich alleine. Mehr Arbeitsraum für sich zu ergattern, war neben gesellschaftlichem Ansehen und mehr Gehalt ein großer Teil der Motivation für Mitarbeiter, um die Karriereleiter immer weiter zu erklimmen. Lounges und andere Gemeinschaftsflächen wurden nur notgedrungen zur Verfügung gestellt – der hart umkämpfte Platz wurde bevorzugt anders verteilt.
Die Corona-Pandemie, die immer noch anhält, obwohl sie aufgrund anderer Krisen längst in den Hintergrund gerückt ist, hat diese altgedienten Bürostrukturen kräftig durchgerüttelt. Warum sollten sich die Mitarbeiter den unter Umständen weiten und aufgrund gestiegener Benzinpreise auch nicht gerade günstigen Weg ins Büro auf sich nehmen, nur um sich dann von allen Menschen um sich herum abzuschotten? Wer für sich alleine im Stillen arbeiten möchte, kann in Zeiten von Homeoffice auch zu Hause bleiben – und spart sich das zeit- und oft auch nervenraubende Pendeln.
Wenn das Büro nicht länger ein Ort der stillen Arbeit sein kann, dann muss es zum Ort der Gemeinschaft und des Austauschs unter Kollegen werden. Auch wenn die Kommunikation auf digitalem Wege jederzeit gegeben ist, lassen sich Themen immer noch besten analog – im persönlichen Austausch – entwickeln. So können Mitarbeiter sich gegenseitig Impulse geben und von der Expertise und der Meinung ihrer Kollegen profitieren. Das von vielen geschätzte Gespräch am Kaffeeautomaten oder beim gemeinsamen Mittagessen ist virtuell nicht zu ersetzen und entscheidend für die Entwicklung der Unternehmenskultur und die Ideenfindung. Dafür braucht man das Büro – und wird es auch künftig brauchen.
Welche Schlüsse sollten Projektentwickler und Investoren aus diesen veränderten Umständen ziehen? Es bedeutet für sie vor allem, dass sie ihre über Jahre gültigen Planungen überdenken – oder besser noch: verwerfen – sollten. Den Fokus müssen sie weglenken vom Büro als eine Ansammlung von Arbeitsplätzen und hin zum Büro als Raum für den Austausch von Ideen. Das Büro der Zukunft besteht aus Meeting-Räumen, aus einer Mischung aus Mensa, Aufenthaltsbereich und Rekreationsflächen. Die altbewährte 70-30-Regel wird sich mindestens umkehren – 70 Prozent Gemeinschaftsflächen sollten künftig 30 Prozent (individuellen) Arbeitsflächen gegenüberstehen. Wahrscheinlich ist, dass der Anteil der offenen Meeting-Flächen sogar noch deutlich größer ausfallen wird. Projektentwickler, die diese Entwicklung frühzeitig einkalkulieren, werden bei der Vermietung im kommenden Zyklus deutlich mehr Nachfrage erfahren als Anbieter konventioneller Arbeitsräume.